Sonntag, 29. November 2009
I Hear Noises: Tegan and Sara live im Astra Kulturhaus, Berlin, 26.11.2009
Zu dieser Sorte Bands gehören auch Tegan and Sara, wobei die Columbiahalle für die nahe Zukunft schon mal vorgemerkt werden kann. Das kanadische Indierock-Duo ist inzwischen über den Status des Geheimtipps hinaus gewachsen und füllt 1.000er-Hallen wie das Astra auch ohne eine reguläre Veröffentlichung ihres aktuellen Tonträgers Sainthood in Deutschland.
Als Support wurde kurioserweise ein Rapper namens Astronautalis engagiert. Mit Musik vom Laptop, der später als seine Backing Band vorstellt werden sollte, erklimmt um 21 Uhr ein großer, dünner, adrett mit Hemd und Krawatte gekleideter junger Mann die Bühne und stürmt wie von der Leine gelassen auf das perplexe Publikum zu, schreitet am Absperrgitter entlang und redet ohne Luft zu holen davon, dass er nicht nur gekommen sei, um Witze zu reißen und zu unterhalten, sondern die Mission hat, den Menschen die Wahrheit beizubringen. Das Berliner Publikum hat er mit seiner eigenwilligen, sich nicht ernst nehmenden Interpretation von Hip Hop und der einnehmenden Bühnenpräsenz im Handumdrehen für sich gewonnen. Am Ende des 30-minütigen Sets ist er ob der ihm entgegenbrachten Begeisterung sichtlich gerührt und wird unter frenetischem Beifall von der Bühne entlassen.
Nicht weniger frenetisch werden eine halbe Stunde später Tegan and Sara samt dreiköpfiger Begleitband empfangen und eröffnen ihr Set mit Hits aus den letzten beiden Alben, „The Con“, „Walking with a Ghost“, „I Bet It Stung“ und „Where Does the Good Go“. Im Mittelteil und –punkt des Konzerts stehen indes die neuen Songs aus Sainthood, die mit Ausnahme von „Don’t Rush“ allesamt gespielt werden. Der Gig besticht durch superbem Sound: nicht zu laut und kristallklar, sodass jedes Instrument herausgehört werden kann und selbst krachige Songs wie „I Bet It Stung“ und „Northshore“ nicht nur als breiiges Getrümmer wahrnehmbar sind.
Die Spiellaune der Kanadierinnen ist beeindruckend und zwischen den Songs tragen die zwei allerlei ausschweifende Anekdoten über Pot rauchen mit der Mutter oder den peinlichen Geschenken des ersten Freunds vor und sinnieren als Reaktion auf einen auf die Bühne geworfenen BH darüber, wie ein solches Verhalten an einem anderen Arbeitsplatz als der Bühne wirken würde. Das Set endet mit einer verträumten Interpretation von „Back in Your Head“, „Living Room“, dem ältesten Song im Repertoire an diesem Abend, und dem fragilen „Call It Off“. Das enthusiastische Publikum wird anschließend mit einer bei Tegan-and-Sara-Konzerten nicht obligatorischen Zugabe beglückt. Für „You Wouldn’t Like Me“ hängt sich die Band noch einmal die Gitarren um den Hals und entlässt die Anwesenden mit einem Paukenschlag in die kalte Berliner Nacht.
Samstag, 3. Januar 2009
10 Albums You Must Hear Before The Year Is Over

Die Rezension des besten Albums 2008 kommt zu spät. Aber das macht nichts, denn Tegan and Saras fünftes Studioalbum erschien in Europa auch erst mehr als ein halbes Jahr zu spät – im Februar 2008. Das Label wollte offenbar kein Risiko eingehen und erst einmal die Verkaufszahlen in den USA und Kanada abwarten bevor eine Veröffentlichung diesseits des Atlantiks in Gang gesetzt wurde. Hier sind die kanadischen Zwillingsschwestern auch noch relativ unbeschriebene Blätter. In Kanada haben sie mittlerweile einen Stellenwert vergleichbar mit Arcade Fire und Broken Social Scene erreicht. Sie tourten schon mit Größen wie Ryan Adams, Weezer und The Killers. Ihre Alben veröffentlichen sie auf Neil Youngs Label Vapor Records. Produziert wurden ihre Alben von u.a. John Collins von The New Pornographers und Chris Walla von Death Cab for Cutie. Letzterer zeichnet sich für die Produktion dieses Longplayers verantwortlich und wird auch das 2009 erscheinende Album produzieren.
In Chris Wallas hauseigenem Studio in Portland, Oregon, wurde Anfang 2007 also The Con aufgenommen. Vorher hatten sich die in Vancouver, respektive Montréal lebenden Schwestern ihre Demos kreuz und quer durch das zweitgrößte Flächenland dieser Erde geschickt. Gemeinsames Songwriting war noch nie ihr Ding. Ihr jeweils charakteristischer Stil macht aber oft den Charme des Gesamtproduktes aus. Die acht Minuten ältere Tegan Quin schreibt die eher rockigen, eingängigen Stücke, Sara Quins Songs sind tendenziell komplizierter und tiefgängiger. Die Kombination aus beidem ergibt dann die perfekte Mischung aus melodiöser Leichtigkeit und anspruchsvoller Experimentierfreudigkeit. The Con ist in dieser Hinsicht ihr Magnum Opus. Das Album wirkt bis aufs kleinste Detail kohärent, eignet sich sowohl zum Tanzen als auch zum bewussten, tiefgängigen Hinhören. Vielleicht liegt dies auch an der Herangehensweise an die Produktion. Die Rhythmusparts wurden absichtlich zum Schluss eingespielt, so dass die Songs sicht nicht am – nebenbei bemerkt hervorragenden – Schlagzeugspiel klammern. Unterstützt wurden die Musikerinnen neben Produzent Chris Walle, der sich auch musikalisch einbringt, vom AFI-Bassisten Hunter Burgan, The Rentals- und Ex-Weezer-Mitglied Matt Sharp, Death Cab for Cutie-Drummer Jason McGerr und Ausnahme-Gitarristin Kaki King. Für Fans und alle, die es werden wollen, bietet die CD neben kunstvoll gestaltetem Booklet noch eine Bonus-DVD mit einem über 90-minütigen Film über die Entstehung von The Con, der nicht zuletzt ob der Entertainer-Qualitäten der beiden Schwestern die Sache wert ist.