Es gab eine Zeit, da assoziierte ich mit dem Namen Coldplay, insbesondere mit deren Aushängeschild Chris Martin, politische Korrektheit im Allgemeinen und Fair Trade im Speziellen. Insofern ist der Vergleich zu U2 bzw. deren Aushängeschild Bono nahe liegend. Das letzte Studioalbum X&Y, eine lauwarme Piano-Pop-Platte, ließ dann tatsächlich das Schlimmste vermuten: Coldplays musikalische Relevanz verhält sich disproportional zu ihrem politischen Engagement. So wie bei U2. Nur schneller.
In diesem Sinne war Viva la Vida or Death and All His Friends ein Schlag ins Gesicht. Diese Band ist noch hungrig, das aktuelle Werk wahrscheinlich ihr bestes, weil konsistent, pointiert und kurzweilig. Zugleich rockig und einfühlsam, teilweise innerhalb desselben Songs („42“). Eine Reise, die mit dem Intro „Life in Technicolor“ genau dort beginnt wo sie 45 Minuten später mit dem Outro „The Escapist“ endet: in A-Dur. Intro und Outro setzen also nicht nur perfekt die Stimmung, verleihen dem Album auch das Gefühl, aus einem Guss zu sein. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Tatsache, dass sich „Lovers in Japan“ und „Reign of Love“ genau wie „Yes“ und „Chinese Sleep Chant“ sowie auch „Death and All His Friends“ und „The Escapist“ jeweils einen Track teilen, so dass wir es streng genommen mit 13 Stücken statt der nur zehn ausgewiesenen zu tun haben. Keine Anreihung von guten Songs also, sondern ein richtiges Album-Album, das von vorne bis hinten gehört werden muss und das in Zeiten von digitalen Downloads auszusterben droht. Coldplay ist es hoch anzurechnen, diesen Schritt gegangen zu sein. Der künstlerische Anspruch wird zusätzlich durch den von Frida Kahlo entlehnten Albumtitel Viva la Vida und das Artwork (Eugène Delacroix’ Gemälde Liberty Leading the People) unterstrichen. Anspieltipps zu benennen, würde diesem Gesamtkonzept zuwider laufen und deshalb sollte man sich ruhig 45 Minuten Zeit nehmen, die Augen schließen und dieses wundervolle Werk in seiner Gesamtheit genießen.
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